Die Freude über schöne Dinge, ein wertvolles Geschenk, ein kostbares Erbe – wie kann man diese Freude am einfachsten kaputtmachen? „Gib gut darauf acht – das war teuer!“, das ist so ein klassischer Satz:
Besorgte Großeltern geben ihn ihren oft arglosen, ungestümen Enkeln mit auf den Weg. Fahranfängern sitzt die ständige Mahnung im Nacken: Sei bloß vorsichtig! Achtung Kurve! Da vorne ist rot! Und neuen Mitarbeitern nimmt man den frischen Elan am besten, wenn man ihnen erstmal klar macht, was sie alles noch nicht wissen und daher auch nicht tun sollten.
Und irgendwie haben sie alle ja auch recht: Wirklich schade, wenn beim neuen Spielzeug schon am ersten Tag etwas abgebrochen ist! Ärgerlich, wenn nach der ersten Spritztour mit dem Auto auch die ersten Kratzer im Lack zu sehen sind! Und mehr als peinlich, wenn als erster Eindruck auf der Arbeit allen so ein dummer Fehler im Gedächtnis bleibt!
Doch sind die, die auf solche Weise recht haben und uns ermahnen auch die, die begeistern, Freude wecken, Lust machen auf mehr? Wer Kinder hat, der kennt diesen inneren Zwiespalt: Als Vater fiel es mir nicht leicht, Hausaufgaben nachzusehen, Vokabeln oder irgendwelche Formeln abzufragen – das machte mir keinen Spaß und unserem Sohn erst recht nicht! Streng und gewissenhaft zu sein war oft notwendig, aber nur selten förderlich für das Familienklima.
„Es ist ja nur zu Deinem Besten“ – auch so ein Satz, oft gehört, oft selbst wiederholt, und das sehr oft zähneknirschend: Zu Deinem Besten, wirklich? Oder eigentlich doch nur für die nächste Prüfung, den Schulabschluss, den nächsten Job?
Es ist ein Zwiespalt zum einen, weil das ja immer weitergeht, weil wir uns ein Leben lang immer wieder neu bewähren und darum gut vorbereitet sein müssen – und zum anderen, weil dies doch um Himmelswillen kein Selbstzweck sein kann: Wenn immer die Sorge im Vordergrund steht, immer nur investiert wird in ein Morgen und Übermorgen, ohne jemals im Hier und jetzt auch wirklich mal davon zu profitieren.
Das gilt für die Schule, das gilt für die Arbeit, und das gilt auch für den christlichen Glauben. Petrus macht es uns da nicht leicht: Tut dies, tut das – denn das ist ja wohl kaum zu viel verlangt angesichts dessen, was Gott in Jesus Christus für euch alles getan hat! Völlig richtig – aber auch gut geeignet, Menschen für den Glauben zu gewinnen oder darin zu bestärken: Erlöst wovon? Befreit wozu? Und braucht es wirklich immer diese ständige Schwarzmalerei von Sünde, Tod und heillosem Verderben, um die christliche Botschaft in einem guten Licht erscheinen zu lassen?
Nun, ich kann für mich sagen, dass ich froh und dankbar bin, glauben zu dürfen. Ich empfinde das in der Tat als befreiend, nicht „im Regimente“ zu sitzen, nicht Tag für Tag mein moralisches Kleingeld zählen zu müssen, nicht der Beste der Besten sein zu wollen. Das macht mir Mut, mich auszuprobieren und auch mal etwas zu wagen. Das macht mir Freude, wenn das dann gelingt und neue Möglichkeiten eröffnet. Und es stürzt mich auch nicht gleich in Verzweiflung, wenn es manchmal schiefgeht.
Der große heilsgeschichtliche Rahmen, der sich spannt von der Zeit „ehe der Welt Grund gelegt war“ bis dahin, wo alles „offenbart wird am Ende der Zeiten“ – er gehört natürlich dazu, zum „großen Ganzen“ und ist in den Blick zu nehmen, wenn ich von Gott und dem Glauben spreche. Das ist aber kein Leitbild für den Alltag, das ich als Haftnotiz auf meinem Schreibtisch klebe, als Orientierung für mein Leben. Da geht es zumeist doch sehr viel einfacher und profaner zu!
Und so sind es nicht die Himmelsstürmer, die mich im täglichen Glauben voranbringen. Auch all die Lehr- und Schulmeister mit all ihren Richtigkeiten sind mir nur selten eine große Hilfe dabei. Jesus selbst wurde in einem Stall geboren, unter einfachsten Verhältnissen: Da will ich auch mit meinem Glauben bescheiden sein und in Gottes Hand legen, was mir zu hoch und zu schwer ist.
Das mache ich übrigens nicht nur aus Bequemlichkeit, sondern auch aus Erfahrung: Angetrieben vom besten Willen ist mir so manches schon gründlich misslungen. Hochkonzentriert auf eine wichtige Aufgabe habe ich oft vollkommen übersehen, was mein Augenmerk ebenfalls mehr als verdient hätte. Wann immer ich versuche, mir bloß keinen Fleck aufs frische weiße Hemd zu machen, passiert mir meist zuverlässig genau das!
„Die Christen sollten erlöster aussehen“, sagte einmal der Philosoph Friedrich Nietzsche, man könnte auch sagen: Gelassener, lockerer, befähigt, vor allem über sich selbst zu lachen! Nicht mit Asche auf dem Haupt, sondern einem befreiten Lächeln im Gesicht – da wäre schon viel gewonnen.
Alles Reden von Nüchternheit und Heiligung, von Hoffnung und Gottesfurcht wie hier bei Petrus ist gleichwohl richtig – Totschläger und Maulhelden, Lügner und Brandstifter sind keine gute Gesellschaft, weder für Christen noch sonst wen. Ihr Denken, Reden und Handeln ist nicht gottgefällig und dient nicht dem Leben. Es wirft uns zurück in heillose Barbarei, wo niemand sich als seines Bruders Hüter sieht und nur sich selbst der Nächste ist. Um Himmelswillen: Das bitte nicht, nicht schon wieder!
Losgelöst von elementarstem Anstand, Verantwortungsbewusstsein und auch dem letzten bisschen Demut öffnet sich die Tür für Narrenfreiheit und niederste Instinkte. Das merken wir dann, wenn christliche Werte und biblische Aussagen zu Schlagworten werden, wenn es vor allem um Machtfragen und Selbstabsicherung geht. Wenn so gnadenlos instrumentalisiert wird, dauert es meist nicht lange, bis das Christliche am Ende selbst unter die Räder gerät. Erlöster aussehen – ja, fahrlässig und unachtsam werden – nein!
Die Freude über schöne Dinge, ein wertvolles Geschenk, ein kostbares Erbe – wie kann man diese Freude am einfachsten kaputtmachen? „Gib gut darauf acht – das war teuer!“ Christus starb für uns am Kreuz, machte vor aller Augen ein für allemal deutlich: Ihr Menschen, die ihr arm, ängstlich, unsicher und feindselig untereinander seid, Gott immer wieder vergesst, euch selbst Eurer Würde beraubt, ihr alle seid durch mich gerechtfertigt vor Gottes Augen. Also:
Gebt gut darauf acht – der Preis für euch war hoch! Verramscht euch nicht an billige Verführer, verkauft Euch nicht an falsche Hoffnungen, verschwendet nicht Eure Freiheit und Eure Liebe an jene, die davon doch nichts verstehen. Nicht die Sorge, nicht die Furcht, nicht der Zorn leite euch, sondern die frohe Botschaft von dem, dem nichts zu teuer ist, um euch zu trösten und zu heilen!
Allein dieser Glaube, allein dieses Wort bringt uns voran. Es gilt hier und jetzt und für alle Zeit. Dieser Glaube, dieses Wort braucht einen klaren Rahmen, geschützte Räume, damit wir darin Halt und Orientierung finden. Dieser Glaube, dieses Wort ist lebendig – es entgleitet gerne mal unseren Erwartungen, widersetzt sich aller Einengung und lässt uns immer wieder spüren, dass wir es nicht beherrschen. Das kränkt vielleicht manchmal unseren Stolz – „mit Gott schmücken“ können wir uns nicht, und was vor seinen Augen gilt, gilt nicht unbedingt vor den Augen anderer.
Aber die Freude über schöne Dinge, ein wertvolles Geschenk, ein kostbares Erbe – sie misst sich ja auch nicht am Geldwert oder kunsthistorischer Bedeutung. Die Botschaft, die sich damit verbindet, und die mir ganz persönlich gilt – das ist es, was wirklich zählt! Der Glaube ist dabei ein sehr robustes Geschenk: Er erträgt auch über längere Zeit achtlose Behandlung, trägt auch dann zuverlässig, wenn es mal gekracht hat und ist überdies sehr fehlertolerant – das wurde in 2000 Jahren Christenheit immer wieder eindrucksvoll bewiesen.
„Wie der, der euch berufen hat, heilig ist, so sollt auch ihr heilig sein in eurem ganzen Wandel“ – als Kinder des Vaters im Himmel, durch Christus reich beschenkt, dass wir das Leben haben.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft
bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.