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Geschlagen

Losung Jesaja 50,6: Der Knecht Gottes sprach: Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften. Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel

Lehrtext Joh 15,13: Niemand hat größere Liebe als wer sein Leben einsetzt für seine Freunde.

Die heutige Losung stammt aus den sog. „Gottesknecht-Liedern“: Sie nehmen eine herausgehobene Stellung ein im Buch des Propheten Jesaja, vier sind es insgesamt, und allesamt bekannte Kernstücke biblischer Verheißung. „Das geknickte Rohr wird er nicht brechen, den glimmenden Docht nicht auslöschen“ – Jes 42, „Gemacht zum Licht der Völker“ – Jesaja 49, „das Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird“ – Jes 52, und zuvor eben unser Text.

Unmittelbar vor der Passionszeit klingt mir dazu die Matthäuspassion im Ohr „Da spien sie ihm ins Angesicht und schlugen ihn mit Fäusten“ – noch einmal bricht alles hervor an Hass, Bosheit und Brutalität, entlädt sich über Jesus auf seinem Gang ans Kreuz. Auf jemand einzutreten, der schon am Boden ist, fällt ja so leicht und beschert manchen einen regelrechten Machtrausch!

Der dargebotene Rücken, die hingehaltene Wange – auch die Bergpredigt kommt uns da in den Sinn mit ihrer verstörenden Botschaft vom gewaltlosen Widerstand. War diese Botschaft so neu, waren und sind da nicht unzählige andere, die geschlagen, bespuckt und erniedrigt wurden?

Jochen Klepper, der Dichter unseres Liedes EG 452, war einer von ihnen. Obwohl ein friedliebender, frommer Bürger, galten seine literarischen Erfolge den großen und kleinen Diktatoren im „3. Reich“ nichts – denn er war verheiratet mit einer Jüdin. Schritt für Schritt wurden ihm seine Rechte genommen, bürokratische Hürden auferlegt, die Schlingen immer enger gezogen, bis man ihn endgültig in den Tod getrieben hatte.

Seine Frau und sein Leben konnte er nicht hinüberretten in eine bessere Zeit – er nicht, und so viele nicht, die in dunklen Gefängniszellen Psalmen aufgesagt haben, Bibelworte oder Liedtexte nachgesprochen haben. Als Menschen sind und bleiben wir verwundbar, auch tödlich verwundbar. Als Christen wissen wir das und vertrauen darum auch nicht auf uns und andere Menschen.

Doch gleichgültig gegenüber Leid und Unrecht werden, Opfer fordern, das steht uns ebenfalls nicht an: Von Gott gewollt, von Gott geliebt ist jeder einzelne Mensch, bei allen Eigenheiten und Schwächen zu wertvoll, als dass wir ihn den Händen von Diktatoren, Fanatikern oder dem Volkszorn überlassen, gar zur billigen Verhandlungsmasse herabwürdigen dürfen.

Andere Menschen preiszugeben für das eigene Seelenheil oder auch nur die eigene Bequemlichkeit steht wider Gott, ist Verrat am Nächsten, ist letztlich Verrat an unserer eigenen Menschlichkeit und Würde.

Sein Leben einsetzen aus Liebe, den Kreislauf der Gewalt unterbrechen, Gesicht zeigen, wo zu viele sich abwenden – das ist ein Akt größter Freiheit, ist ein Geschenk für den Frieden und lebt seinerseits vom Geschenk der Liebe. Selbsthingabe ist alles andere als Selbstaufgabe, ist keine Verzweiflungstat, sondern Ausdruck einer Lebendigkeit, die weit über die Grenzen hinausgeht.

Freiheit und Liebe sind alles andere als selbstverständlich, sonst wäre die Welt eine andere und wir säßen heute nicht hier zusammen. Beides geht auch weit über das hinaus, was wir erwarten und einfordern können. Und dass beides so selten gelingt, daran haben leider auch wir unseren Anteil.

Zugleich sind Freiheit und Liebe unabdingbare Voraussetzungen, wenn wir den Frieden suchen. Wir hoffen ihn bei Gott zu finden, der Mensch wurde in Jesus Christus und gegenwärtig ist im Heiligen Geist. Wir sorgen uns um den Frieden im Gebet, das nicht diktiert und belehrt, sondern bittet im Vertrauen und hofft auf Gottes Verheißung.

Wir sehen die Welt in seinem Licht, lassen ihn das letzte Wort haben, damit die Herrschaft von Gewalt und Unrecht überwunden und das Leben wieder neu und herrlich wird nach seinem guten Willen. Amen.

(Andacht zum wöchentlichen Friedensgebet)